Windsurfen lebt, mehr den je.

Windsurfen lebt, für mich mehr denn je. Warum? 

Nie war der Sport einfacher und besser als heute. Dank dem Internet braucht niemand mehr an einen See fahren und hoffen, dass vielleicht irgendwann einmal Wind vorbeikommt. Das lässt sich kurz vorher schnell und unkompliziert abchecken. Dann schnell die Kiste beladen und ab gehts.
Früher war das anders.

Ich meine vor 1994, bevor ich einen schweren Motorradunfall hatte und somit erstmals eine lange Zwangspause anstand. Als ich dann 1998 wieder mit dem Windsurfen anfing, hatte sich alles verändert. Die Boards wurden immer kürzer und breiter, das Gleiten ging bei immer weniger Wind, das fand ich fantastisch.
Endlich einmal eine Halse durchgleiten ohne abzufliegen, weil die scharfen, langen Rails verschneiden.
Um meinen Rückstand aufzuholen, wollte ich so oft es nur geht aufs Wasser. Aber wie bloß, denn hier sind dem "gemeinen Bayern" ein paar natürliche Grenzen gesetzt. Richtig guten Wind gibt es bei uns hauptsächlich mit den Frühjahrs– und Herbststürmen. Im Sommer aber, wenn es hier so richtig schön ist, herrscht große Flaute. Naja, nicht immer, aber das einzige Revier weit und breit, das vernünftigen Wind produziert, ist der Walchensee.

Die Thermik, die an guten Tagen 5-6 Bft. und in Böen auch gerne darüber erreichen kann, leistet aber im Mittel nur 3-4 Bft. Da kommt man mit einem 90 L Waveboard nicht wirklich weit. Also bin ich im Jahr 2000 los und habe mir noch ein Leichtwindboard und ein größeres Segel (7,5m²) gekauft. Doch irgendwie gab es immer ein paar Surfer, die noch im Gleiten waren, während ich schon wieder im Windloch stand und auf die nächste Böe wartete.

Also ab zum Dealer meiner Wahl und noch ein größeres Segel (8,1) geholt und weiter probiert. Eigentlich hatte ich nie gedacht, jemals so einen großen Lappen zu fahren. Bei meinen damals 65 Kg hatte ich da echte Bedenken, wie ich das schwere Teil aus dem Wasser ziehen soll. Da sich die Segel aber ebenfalls stark weiter entwickelt hatten, war das, wie sich herausstellte, kein großes Problem mehr. Jetzt waren eigentlich nur noch die Formula-Fahrer vor mir im Gleiten.
Dann hab ich einfach einmal einen gefragt, ob ich denn diese fliegende Klotüre einmal ausprobieren dürfte.
Was soll ich sagen, es war überhaupt nicht schwer, mit dem Ding zu fahren. So bin ich da irgendwie reingeschlittert, ohne Absicht, einfach aus Versehen zum Großsegler geworden.

Damit mich hier keiner falsch versteht, lieber ist mir ein guter Starkwindtag mit einem 70 L oder 80 L Board; kleines Segel, schöne Sprünge, überpowerte Manöver, Naturgewalt erleben, spüren und versuchen damit umzugehen. Nur wenn es das nicht gibt, bin ich einfach nicht bereit auf meinen Sport zu verzichten und Domino zu spielen.
Ich komme mit dem großen Material auf so viele Surftage, dass ich das hier gar nicht laut sagen will, aber über 40 mehr waren es schon pro Saison, wohlgemerkt, hier in Bayern! Hier holte ich mir die Kondition für die Hacktage, Blasen an den Händen kenne ich nicht, drei oder vier Stunden surfen ist kein Problem. Die Motorik, das Feingefühl, alles ist vom ersten Moment an da, weil der Untersatz für meine Füße kein Fremdkörper ist, der alle zwei Monate neu ertastet werden muss.

Wer offen ist für Neues und vorurteilsfrei an die Sache rangeht, findet vielleicht etwas, was er nicht erwartet hätte. Wenn z.B. im Frühjahr die Berggipfel noch mit Schnee bedeckt sind, die Thermik noch wenig Kraft besitzt (max. 3-4 Bft, für zwei Stunden), das Wasser tiefblau ist und man mit drei anderen Surfern den See für sich alleine haben kann, das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Die Luft, die dir um das Gesicht streicht, ist so klar, sauber und  frisch, du riechst die Schneeluft und hörst nichts außer einem leisen Plätschern hinter dir, keine anderen Geräusche, das ist Balsam für die Sinne.

Auf der anderen Seite hatte ich auch meine Kämpfe auszutragen. Tage, die einen hart fordern, wenn die Thermik schwach anfängt, man mit 11.0qm rausgeht und dann plötzlich 5-6 Bft. in Böen bis 7 Bft. daraus werden. Das ist kein Kinderfasching, da bist du echt gefordert. Wenn man das dann gemeistert hat, ist man fast genauso zufrieden wie nach einem guten Waveboardtag. Es macht wirklich Spaß.

Dazu kommt noch die weitere Entwicklung der Segel, mittlerweile gibt es Segel, die auf einer Fläche von 7.5m² die Power von fast 10m² produzieren. Die Boards haben die Gleitschwelle auch noch einmal deutlich nach unten gedrückt. Falscher Stolz ist hier nicht angebracht, wissen ist besser als glauben, deshalb probiert es ruhig einmal selbst aus, vielleicht gibt es ja eine Überraschung.

See you on the water. Klaus Reitberger (G-2222)

 

Seite/Page:  Forum » Storyboard » Windsurfen lebt